In den letzten Jahren hat sich – sicher unter dem Einfluss aus dem Norden – unsere Mundart stark verändert. Beim Wortschatz fällt das vielen noch auf (Butter, Ziege, gäge hartnäckige Schmutz etc.). Wenn aber alte Wörter neue Bedeutungen erhalten oder Teile davon wegfallen, schleicht sich das sehr rasch und unbemerkt ein. Die Unterscheidung zwischen lernen und lehren etwa war in der Mundart bis vor kurzem völlig unbekannt. Das Zürichdeutsche Wörterbuch von Heinz Gallmann aus dem Jahr 2009 nennt zwei Bedeutungen von „leere“, eben zum einen lernen („Leere schriibe“), zum andern aber lehren („Ich will di leere folge“). Nun hat uns das Hochdeutsche doch noch den feinen Unterschied gelehrt, und kaum jemand verzichtet noch auf diese klare Unterscheidung. Auch „wer“ und „wen“ wurden früher nicht unterschieden. „Wèèr“ hiess nicht nur „wer“, sondern eben auch „wen“ („Wèèr händ er gsee?“). Man könnte nun ja argumentieren, dass es sich in diesem speziellen Fall um eine Bereicherung der Mundart handelt, weil sie mehr Nuancen erhält. Andererseits: Hat sich die jeweilige Bedeutung nicht immer ganz selbstverständlich aus dem Zusammenhang erschlossen? Oder gibt es jemanden, der auf die Frage „Wèèr gseesch?“ immer nur sich selber meinen konnte?