Das Zürcher Architekturbüro Edelaar Mosayebi Inderbitzin hat eine Villa an der Signaustrasse sehr sorgfältig umgebaut und daraus ein exklusives kleines Hotel gemacht. Und das Trio hat es erfreulicherweise nicht bei der baulichen Umgestaltung belassen, sondern eine Publikation über das spezielle Haus und seine Verwandlung angestossen – und dabei auch vertiefende Nachforschungen über die Entstehungsgeschichte von Haus und Garten und die ursprüngliche Bewohnerschaft in Auftrag gegeben. Neben Michael Gnehm und Claudia Moll, die sich mit Haus und Garten auseinandersetzten, durfte ich den Spuren des Bauherrn, George W. Syz (1861-1946), und seiner Familie nachgehen.
Das war nun alles andere als einfach, denn es gab nur wenige verwertbare Quellen. Ich musste deshalb auf Erinnerungen noch lebender Nachfahren zurückgreifen und die wenigen Daten mit Beschreibungen aus Biografien Verwandter mit Leben zu füllen versuchen. Über den Vater von George W. Syz (1822-1883) ist sehr viel bekannt: Er war im Seidenhandel tätig, gehörte aber auch zu den Mitgründern der Zürich-Versicherung. Das war kein Zufall: Weil die Preise für Rohseide stark schwankten, suchten die Seidenhändler nach Versicherungsmöglichkeiten – und schufen die entsprechenden Firmen gleich selber. Dasselbe galt für die Banken: Diese halfen der Seidenindustrie, Phasen mit mangelnder Liquidität zu überbrücken. Die Seidenindustrie war die treibende Kraft der wirtschaftlichen Entwicklung Zürichs im 19. Jahrhundert – aber eben nicht nur im angestammten Bereich.
Die einflussreichen Zürcher führten im 19. Jahrhundert ein nobles, aber auch nüchternes Leben. In der Biografie des einflussreichen Riesbacher Wirtschaftsführers und Gemeinderats Peter Emil Huber-Werdmüller (1836-1915), der in vielfacher Hinsicht mit der Syz-Geschichte verbunden ist, liest man etwa, dass das Leben «schlicht und nüchtern» gewesen sei, «namentlich auch einfach in Speise und Trank». Und man stösst auf jenen Satz, den man zwei Mal lesen muss, bis man begreift, was da steht: «Wie in jedem echt zürcherischen Hause nahm die Geselligkeit keinen breiten Platz ein.» Man kümmerte sich um Geschäft und Familie, fürs Gesellige gab es die Zunft und die Zunfthäuser – im Fall von George W. Syz, der Familientradition entsprechend, die Zunft zur Saffran.
Es ist erstaunlich, wie stark sich die Biografien der damaligen Seidenindustriellen gleichen. Akademische Bildung stand nicht sehr hoch im Kurs. Stattdessen absolvierten die männlichen Nachkommen der Familien in der Regel die Industrieschule, machten eine kaufmännische Lehre und gingen dann für ein paar Jahre ins Ausland. Im Fall von George W. Syz waren es sogar 13 Jahre, die er zunächst in Lyon und später in Barcelona verbrachte. Kamen die jungen Herren dann aus dem Ausland zurück, kauften sie sich in der Regel in einen Betrieb ein oder übernahmen Aufgaben im eigenen Familienbetrieb. Bei George W. Syz war es die Seidenfabrik Naef in Affoltern am Albis; weil die Naef-Brüder kurz nacheinander starben, stieg Syz bald zum Chef des Unternehmens auf, das in seinen besten Zeiten allein am Hauptsitz 400 Personen beschäftigte.
Neben Ausbildung und Karriere war auch die standesgemässe Heirat gewissermassen vorbestimmt. Das lässt sich sehr schön am Richterswiler Zweig der Familie Syz zeigen. Dort kam es in zwei Generationen gleich zu mehreren Heiraten zwischen den Sprösslingen der Industriellen-Familien Hürlimann und Landis.
George W. Syz erlitt 1945 einen Unfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb ein Jahr später an dessen Folgen. Fortan lebte seine Frau allein im grossen Haus, umsorgt allerdings wie zuvor von Köchin und Haushälterin.
Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten (Hg.): Signau Haus und Garten, Park Books 2019