Das Ende der Weltausstellung

Expo Milan klein

Blick vom Pavillon von New Holland auf Daniel Libeskinds Auftritt für die chinesische Immobilienfirma Vanke.

Wir haben die letzten Tage der Expo 2015 in Mailand erlebt. Und es war die Hölle. Jetzt erst zeigte sich die Fehlplanung so mancher Landespavillons im ganzen Ausmass. Und es wurde deutlicher als je zuvor, dass die Weltausstellungen in ihrer jetzigen Form auf einem grundsätzlichen Missverständnis basieren. In Zeiten des Massentourismus’ funktioniert auch eine solche Expo nach dessen Gesetzen. Das offizielle Motto der Ausstellung in Mailand heisst: «Den Planeten ernähren, Energie für das Leben». Sehr viel heftiger war man aber mit einem ganz anderen Thema konfrontiert, jenem der Überbevölkerung nämlich. Die Ausstellung wurde in den letzten Tagen regelrecht gestürmt. 250’000 Besucherinnen und Besucher pro Tag legten die Expo einfach lahm und produzierten vor einzelnen Pavillons Menschenschlangen, in denen man bis zu drei Stunden wartete. Der Schweizer Pavillon war einer der schlimmeren: 2,5 Stunden Wartezeit wurde am letzten Freitag angekündigt, 3 waren es dann am Samstag. Da hat man ganz lange Zeit, sich über die Arroganz der Ausstellungsmacher zu ärgern, die ja eigentlich um solche Besucherströme wissen – und dennoch nichts zur Vermeidung der unendlich langen Warteschlangen tun. Im Gegenteil: Sie werden den Ansturm zum Ende der Weltausstellung wohl als grossen Erfolg feiern.

Was man vom Schweizer Pavillon ohne Wartezeit besuchen kann, weil es niemanden interessiert, ist die Städtepräsentation von Genf: Ein Penner aus Gips liegt in einer Ecke, an den Wänden hat es ein paar Schlirggen aus weisser Farbe. Offensichtlich handelt es sich um Kunst, und offensichtlich ist die Aussage sehr banal. Auch die Gotthard-Ausstellung ist in einigermassen nützlicher Frist zugänglich. Hier ist ein tolles Gotthardrelief zu sehen, das aus einem Granitblock geschnitten wurde. Doch aus den oberhalb des Reliefs aufgehängten Wasserleitungen plätschert es pausenlos auf den Stein hinunter. Damit will man uns nicht mitteilen, dass in der Schweiz immer schlechtes Wetter herrscht, sondern dass vom Gotthard aus in alle Richtungen Flüsse fliessen. Wenn man einen Hebel zieht, fliessen sie nur noch Richtung Norden, bei einem andern wechseln sie nach Süden. Während des Vortrags eines Angestellten zieht ein kleiner Junge am Hebel, wofür er sofort vor allen andern zusammengestaucht wird, weil das jetzt den Vortrag störe.

Die drei Stunden Wartezeit für das Innere der Türme haben wir uns dann geschenkt. Die Aussage, die uns dort während 15 Minuten nähergebracht worden wäre, lautet ungefähr so: Wenn sich alle bei allen Lebensmitteln in den Türmen bedienen, reicht es am Ende nicht für alle. Andere Länder haben ihre Pavillons so konzipiert, dass sie massentauglich sind – die USA vor allem: Hier geht es durch einen ca. 15 Meter breiten Gang hinein in eine Art Flugzeugträger, dann die Treppe hinauf, wo Obama ab einem Bildschirm winkt und ein paar Firmen Informationen anbieten – und dann gleich wieder in derselben Breite hinunter und hinaus. Die Aussage ist gleich der Wartezeit: null. Lobenswert sind die Franzosen, die schon entlang der Schlange unterhalten und informieren. Zudem muss man auch hier nicht allzu lang warten. Nach fünf Minuten ist man im wundervollen Holzpavillon, wo sich die Leute recht gut verteilen und dennoch einiges über die Landwirtschaft des Landes mitbekommen.

Wenn sich das Konzept der Weltausstellungen nicht schon wegen den unkontrollierbaren Massen überholt hätte, dann sicher wegen der Grundidee, dass sich alle Länder, Organisationen und Firmen selbst darstellen können. Das funktioniert sehr gut bei einer Leistungsschau, an der sich alle ins beste Licht rücken müssen. Das ist aber peinlich, wenn man der Sache ein humanitäres Mäntelchen überstülpt, unter das sich alle fliehen. Über 140 Nationen werben für sich und bieten oft nicht mehr als Tourismusbildchen. Der locker-freundliche Ton wirkt besonders befremdlich bei Ländern wie Eritrea oder Simbabwe. Auch grosse Firmen präsentieren sich vor allem als Wohltäterinnen. New Holland etwa will mit ihren gewaltigen Erntemaschinen nicht in erster Linie Geld verdienen, sondern, wie alle andern auch, die Welt retten.